April 2022

Polen kann auf russische Energieträger verzichten

Nach der russischen Invasion in der Ukraine erwägt Europa die Möglichkeit, die Einfuhr fossiler Brennstoffe aus Russland einzustellen. Solche Überlegungen werden unter anderem auch von Experten in Polen durchgeführt, u.a. in dem Think Tank Forum Energii (Energieforum). Derzeit wird weniger als die Hälfte des polnischen Energiebedarfs durch importierte Rohstoffe – hauptsächlich aus Russland – gedeckt. Die eigene, polnische Produktion deckt den Bedarf an Erdöl zu 3%, an Gas zu 20% und an Kohle zu 80%.

Am einfachsten scheint es mit der Kohle zu sein. Ende März 2022, also noch vor den entsprechenden Entscheidungen der Europäischen Kommission, hat Polen ein Embargo für russische Kohle auferlegt. Polen importierte jedes Jahr etwa 9 Millionen Tonnen Kohle aus Russland. Diese Importe wurden durch den niedrigen Preis der russischen Kohle im Vergleich zur inländischen Kohle diktiert. Die russische Kohle wurde hauptsächlich zum Heizen in kleinen Heizwerken und Heizräumen in Privathaushalten verwendet, und die Heizperiode 2021/2022 ist beinahe zu Ende. Aus technologischen Gründen wurde sie nicht zur Stromerzeugung verwendet. Die polnische Energiepolitik geht von der Dekarbonisierung der Wirtschaft und der Schließung des letzten Steinkohlebergwerks in Polen spätestens 2049 aus, aber in der aktuellen Situation ist es möglich, dass die Kohleförderung für kurze Zeit erhöht wird und die Importe aus Russland vor dem Beginn der Heizperiode 2022/2023 damit ersetzt werden.

Die Situation in Bezug auf die Gasversorgung ist auch nicht schlecht. Polen verbraucht derzeit rund 20 Milliarden m3 Gas pro Jahr, davon 5 Milliarden m3 kommen aus inländischer Förderung, knapp 5 Milliarden m3 erreichen Polen in verflüssigter Form auf dem Seeweg bis zu dem im Jahr 2016 in Betrieb genommenen Gasterminal in Swinemünde. Über 50% des polnischen Gasbedarfs wird durch Importe aus Russland gedeckt. Von dort aus fließen 10 Milliarden m3 Gas pro Jahr nach Polen im Rahmen des sogenannten Jamal-Vertrags. Der Jamal-Vertrag läuft Ende dieses Jahres aus und Polen will ihn nicht verlängern. Es ist geplant, die Gasimporte aus dem Osten endgültig einzustellen und durch Gas aus dem Norden zu ersetzen. Die Gaspipeline Baltic Pipe wird gebaut, die Gas von Norwegen über Dänemark nach Polen leiten wird. Die Fertigstellung des Baus ist für den Herbst dieses Jahres geplant und dieser Termin ist nicht gefährdet. Die Kapazität dieser Verbindung wird auf 10 Milliarden m3 Gas pro Jahr berechnet, was genau dem entspricht, was Polen derzeit in Russland kauft. Darüber hinaus wird das LNG-Terminal in Swinemünde ausgebaut. Seine Kapazität wird um 50% auf 7,5 Milliarden m3 Gas pro Jahr erhöht. Es sollte hinzugefügt werden, dass die Kapazität der Gasspeicher in Polen 2,9 Milliarden m3 beträgt und sie sind derzeit zu mehr als 60% gefüllt.

Die schwierigste Situation ist mit Erdöl. Polen importiert jährlich 16 Mio. Tonnen Erdöl aus Russland, was 65% des polnischen Bedarfs entspricht. Der Rest wird auf dem Seeweg zum Terminal in Danzig transportiert, hauptsächlich aus Saudi-Arabien, den Vereinigten Staaten und Norwegen. Es ist erwähnenswert, dass Polen im Jahr 2000 zu 93% von russischen Öllieferungen abhängig war. Technisch gesehen ist Polen bereit, russisches Erdöl durch das Öl zu ersetzen, das Polen auf dem Seeweg erreicht. Das bereits erwähnte Ölterminal in Danzig ist für große Abnahmen vorbereitet und durch eine Ölpipeline mit den größten polnischen petrochemischen Anlagen im Mittelpolen (Płock) verbunden. Diese Anlagen verarbeiten hauptsächlich Erdöl aus Russland, aber technologisch gesehen sind sie sowie kleinere polnische Raffinerien für die Verarbeitung anderer als russischer Rohstoffe vorbereitet. Dennoch wäre eine kurzfristige Abkehr vom russischen Öl im Gegensatz zur Kohle oder zum Gas für Polen sehr schwierig, und der erwartete drastische Preisanstieg würde zweifellos einen wirtschaftlichen und sozialen Schock verursachen. Ähnliche Herausforderungen gab es schon früher, insbesondere in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. Sie wurden aber bewältigt.

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